Herne/Essen Nov. 2021. Seit mehreren Jahren besteht inzwischen eine Bildungspartnerschaft zwischen der Martin-Opitz-Bibliothek in Herne und dem Mulvany Berufskolleg. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit arbeitet der Europakurs der Fachoberschule 13 jedes Jahr an einem mehrmonatigen Projekt, das thematisch an dem Sammelschwerpunkt der Fachbibliothek anknüpft. In diesem Jahr firmiert die Arbeit unter der Überschrift „Migration und Identität“.
Konkret geht es um die Erstellung von Zeitzeug*innen-Portraits, die Anfang des kommenden Jahres auch der Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. Zur Vorbereitung gehören Vorträge und Übungen zu den Themen Recherche und Quellennutzung mit Mitarbeiter*innen der Martin-Opitz-Bibliothek, Seminarveranstaltungen mit einer Historikerin der Fernuniversität Hagen, die in die Techniken des Zeitzeugeninterviews einführt, aber auch ein Besuch des Heimatmuseums „Unser Fritz“.
Da passte es ganz gut, dass zum 60. Jahrestag des Anwerbeabkommens zwischen der Türkei und der Bundesrepublik jetzt im Ruhr Museum auf Zeche Zollverein in Essen eine umfangreiche Ausstellung mit Fotografien des Istanbuler Street-Fotografen Ergun Çağatay stattfand. Zwischen März und Mai 1990 hatte Çağatay die fünf Städte Hamburg, Köln, Werl, Berlin und Duisburg bereist und dabei mit mehreren Tausend Aufnahmen die bislang umfangreichste Bildreportage über die türkische Einwanderung nach Deutschland erstellt. Mehr als hundert dieser Aufnahmen, viele davon großformatig abgezogen, waren in Essen zu sehen und gaben einen eindrucksvollen Einblick in die Arbeitswelt, in das Gemeinschaftsleben der ersten und zweiten Generation der „Gastarbeiter*innen“, aber vor allem auch in ganz private Bereiche – kurz: in den Alltag der Menschen, von denen viele geblieben sind und die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben. Ergänzt wurden die Fotografien von gefilmten Interviews mit Zeitzeug*innen.
Da diese Ausstellung nicht nur für den Europakurs von Interesse war, haben alle Schüler*innen beider FOS13-Klassen, darunter viele mit eigenen Migrationshistorien, sich Richtung Zollverein aufgemacht, um sich die Fotografien und Videos anzusehen. Einhelliges Fazit: eine spannende Horizonterweiterung in einer ungewöhnlichen, aber gerade deshalb passenden Location.
Übrigens setzt das Ruhr Museum die thematische Beschäftigung mit türkischem Leben fort: Noch bis Oktober 2022 werden unter dem Titel „Mustafas Traum“ Fotografien von Henning Christoph aus den Jahren 1977 bis 1989 gezeigt.
Text und Fotos: Maria Rühling & Christopher Wulff