Strukturwandel in Nordjütland und im Ruhrgebiet.
Wer in Europa arbeiten will, der muss das Europa der Regionen kennen! Europäische Bildungsprojekte seit 1993 unter Leitung von Engelbert Wührl.
Unter diesem Motto machte sich eine Gruppe Höherer Handelsschüler in das scheinbar bekannte und doch so unbekannte Nachbarland Dänemark auf, um mit Gleichaltrigen an den Handelsskolen in Hjørring (Nordjütland) einen intensiven Arbeitsaufenthalt im September 1993 zu beginnen. Unser Schulleiter Herr H. Gathmann hatte den Austausch angeregt und die Verbindung zur dänischen Schule hergestellt. Begleitet wurde ich von meinem Kollegen Walter Müller, der unsere Projekte tatkräftig vor allem mit seinem Computerwissen unterstützte.
Politischer Hintergrund, Wahl des Themas und Einsichten von europäischer Dimension
- Die Europäische Gemeinschaft verwirklichte mit Beginn des Jahres 1993 den Binnenmarkt, d.h. einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, in dem der freie und unbeschränkte Verkehr von Waren, Personen, Kapital und Dienstleistungen gewährleistet wird. In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich fortan nicht mehr die Nationen, sondern die Regionen Europas profilieren müssen, um auf dem europäischen Binnenmarkt konkurrieren zu können. Seither bedürfen die dort lebenden Menschen vielfältiger Bildungshilfen, z.B. das Programm SOKRATES (LINGUA), um dieser europäischen Dimension (Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenz, Mobilität, räumlicher Orientierungsfähigkeit und Raumverhaltenskompetenz) gerecht zu werden. Seit Ende der 1980er Jahre legte die Europäische Gemeinschaft entsprechende Förderprogramme auf, die jedoch wegen der nationalen Kulturhoheit nur die nationalen Bildungsangebote ergänzen, aber nicht ersetzen können.
- Die Erarbeitung eines regionalen Vergleichs im Rahmen unseres Europäischen Bildungsprojekts (EBP) lag also nahe – ein Vergleich, der im alltäglichen Unterrichtsgeschehen sicherlich so nicht thematisiert worden wäre. Einhellig war auch die Meinung unserer dänischen Partnerinnen S. Axelsen u. A.-M. Sloth: „Für die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler ist es von allergrößter Wichtigkeit, dass sie international orientiert sind. Die Internationalisierung unseres Schulsystems bedeutet aber nicht nur, dass die Fremdsprachenkenntnisse erweitert werden, sondern auch, dass ein wechselseitiges Verständnis für die inneren Entwicklungen anderer Länder geschaffen wird und dass die Kenntnisse voneinander – sowohl kulturell, historisch, geographisch als auch sozial gesehen – vergrößert werden. Unseres Erachtens hat ein Austauschprogramm große Bedeutung für diesen Internationalisierungsprozess“.
Das Bildungsangebot des Landes NRW, bezogen auf europäische und globale Kompetenzen hat sich hingegen kontinuierlich verschlechtert, da Bildungsreformen die in diesem Kontext gefragten klassischen Fächer wie Geographie, Geschichte / Politik mit Ausnahme der fremdsprachlichen Fächer bis zur Bedeutungslosigkeit verstümmelt haben. Vgl. dazu Wührl, E.: Der gesellschaftliche Bedarf an geographischen Fragestellungen steigt. Werden die kaufmännischen Schulen dieser Herausforderung gerecht?
[In: Wirtschaft und Erziehung (WuE) H 1/1993, S. 3-7In: Strukturwandel in Nordjütland / Strukturwandel im Ruhrgebiet (Teil B) Herne 10/1994 S.3]
„Super“ war die einhellige Meinung der deutschen Nordlandfahrer über den vierzehntägigen Aufenthalt. Die anfängliche Skepsis gegenüber dem Reiseziel (schließlich kann die Kernstadt Hjørring mit ihren 22 Tausend Einwohnern nicht mit Paris oder Prag konkurrieren) war schnell verflogen: Die dänische Gastfreundschaft, die Überschaubarkeit der Stadt und die unverwechselbare reizvolle nordjütländische Landschaft beeindruckten die Großstädter aus dem Ruhrgebiet ungemein. Sie bekamen hautnah Einblicke in die von Strukturkrisen geschüttelte Land- und Fischereiwirtschaft. Höhepunkt für die „Landratten vom Emscherstrand“ war eine Betriebsbesichtigung der besonderen Art, die einstündige Seefahrt mit dem hochseetüchtigen Fischtrawler Strømegg der Fa. Skagerak. Zu den regionalen Potenzialen gehört auch der Tourismus, den die dänisch-deutsche Schülermannschaft am Beispiel der modernen Ferienkolonie Skallerup Klit und dem romantischen Fischerörtchen Lønstrup auf Herz und Nieren untersuchten.
Für unsere dänischen Gäste waren die Gegenbesuche nicht minder attraktiv und strapaziös („Wir haben sehr viel Fußschweiß bei Herrn Wührl gehabt“). Den Strukturwandel im Ruhrgebiet, dessen Bevölkerung derjenigen von Dänemark entspricht, erlebten die „Wikinger“ bei der OPEL AG, der Kokerei Prosper in Bottrop, im Erklettern der Hoppenbruch-Halde als Landschaftsbauwerk sowie dem Erkunden der Untertagewelt im Deutschen Bergbau-Museum in Bochum. Der Städtevergleich Hattingen – Bochum – Herne zeigte ihnen, dass das Ruhrgebiet eine abwechslungsreiche Städtelandschaft hat.
Folgende Schüleraustausche sind durchgeführt worden:
Zeit |
Ort |
Thema / Veröffentlichung |
Verantwortlich |
18.09. – 2.10. 1993 |
Hjørring |
Strukturwandel in Nordjütland / Reader / Lesebuch |
Peter Christensen, Søren Spanner (Dk) |
5.03. – 12.03. 1994 |
Herne |
Strukturwandel im Ruhrgebiet / Reader / Lesebuch |
Lone Nygaard, Peter Christensen (Dk); |
10.09. – 24.09. 1994 |
Hjørring |
Strukturwandel in Nordjütland / Reader / Lesebuch |
Peter Christensen, Sonja Axelsen (Dk) |
8.10. – 14.10.1994 |
Herne |
Strukturwandel im Ruhrgebiet / Reader / Lesebuch |
Sonja Axelsen, Anne Marie Sloth (Dk) |
1. 09. – 14.09.1996 |
Hjørring |
Strukturwandel in Nordjütland / Reader / Lesebuch |
Knud Erik Sørensen, Tine Nøgard Bech (Dk) |
6.10. – 12.10. 1996 |
Herne |
Strukturwandel im Ruhrgebiet / Reader / Lesebuch |
Walter Müller, Engelbert Wührl |
Beim deutsch-dänischen Sprachenerwerb in Hjørring [Foto: E.Wührl 9/1994]
Betriebsbesichtigung in Hirtshals [Foto: E.Wührl 9/1993]
Im Gewerbe- und Landschaftspark Hattingen Henrichshütte [Foto: E.Wührl 10/1996]
Gemeinsames Feiern im Klosterkeller der Heiligen Familie in Wanne
[Foto: E.Wührl 10/1994]