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Europaschule

Burak Yilmaz QuerHerne, 12.12.23. Natürlich ist der Nahost-Konflikt mit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 07. Oktober 2023 auch am Mulvany Berufskolleg sehr plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Viele unserer Schüler*innen haben Verbindungen in die Region oder sind sogar persönlich betroffen. Zugleich herrscht vielfach Unwissenheit über die Geschichte des Konflikts, über unterschiedliche Positionen, Verbindungen, Ziele und denkbare Konsequenzen daraus. Und dann sind da noch die Medien, die sogenannten sozialen an erster Stelle, die in einen Wettstreit um die Deutungshoheit eingetreten sind und mit immer brutaleren Bildern Emotionen zu steuern versuchen. In der Konsequenz gab es natürlich auch bei uns an der Schule antisemitische Äußerungen und teilweise emotional geführte Diskussionen. Wir sind deshalb sehr froh, dass es uns gelungen ist, Mitte Dezember den Bestseller-Autor und Pädagogen Burak Yilmaz für einen Veranstaltung ans Mulvany Berufskolleg holen zu können.

In seinem bei Suhrkamp erschienenen Bestseller Ehrensache. Kämpfen gegen Judenhass beschreibt Yilmaz nicht nur sein Aufwachsen in Duisburg-Marxloh mit all den Erfahrungen an rassistischer Ausgrenzung und Anfeindung, die einem Deutschen mit türkisch-kurdischer Migrationsgeschichte immer wieder begegnen, sondern beobachtet auch Hass und Gewalt innerhalb verschiedener migrantischer Communitys. Und er macht Antisemitismus als ein – unterschiedlich tradiertes und begründetes – Bindeglied zwischen der sogenannten Mehrheitsgesellschaft und den Menschen mit Migrationsgeschichte aus. Aus dieser Erfahrung wächst seine Motivation, als Sozialarbeiter und Theaterpädagoge den Kampf gegen antisemitische Vorurteile aufzunehmen. Theaterprojekte, Fahrten nach Auschwitz, vielfache Begegnungen mit Deutschen und ihrer Geschichte und Migrant*innen und ihrer Geschichte und Aufenthalte und Gespräche in Israel tragen einerseits dazu bei, Probleme der Erinnerungskultur, wie sie ganz aktuell zutage treten, aufzuzeigen, vor allem aber gelingt es Burak Yilmaz eindrücklich, Möglichkeiten zu benennen, wie eine plurale Einwanderungsgesellschaft Erinnerung auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann. Bundespräsident Steinmeier hat Burak Yilmaz für seinen Einsatz für Verständigung mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Burak Yilmaz1Bei seinem Besuch in Herne ist die Aula der benachbarten Realschule, die wir dankenswerterweise nutzen dürfen, bis auf den letzten Platz gefüllt. Schüler*innen verschiedenster Bildungsgänge, Schulsozialarbeiter*innen und eine Reihe von Lehrer*innen haben sich eingefunden.

Burak Yilmaz GroßZuerst erzählt Burak Yilmaz von seinen Erfahrungen in Duisburg. Immer wieder liest er kurze Abschnitte aus seinem Buch vor, und schnell wird an den Reaktionen und der Aufmerksamkeit klar: Hier gibt es zahlreiche Schnittmengen zwischen dem Autor und dem Publikum. Wenn Yilmaz einfach erzählt, trifft er genau den Ton, der bei den Zuhörenden ankommt. Und er wird sehr persönlich, erzählt von Vorurteilen innerhalb der eigenen Familie, vom Hin- und Hergerissen-Sein zwischen Familie, Freunden, der Schule und Werten, die die Mehrheitsgesellschaft hochhält. Das ist mitreißend und anrührend zugleich, insbesondere wenn er erzählt, wie er das fertige Buch gleich mehrmals hintereinander seiner Oma vorlesen musste, die selbst nicht lesen und schreiben kann, oder wenn er berichtet, dass sein Opa es erst geschafft hat, seine Arbeit anzuerkennen, als ein Foto mit ihm und dem Bundespräsidenten die Titelseite einer türkischen Tageszeitung zierte.

Der größere Teil der Veranstaltung bestand indes aus einem Gespräch zwischen Burak Yilmaz und unserer Schulgemeinde. Es kamen sehr viele sehr verschiedene Fragen, teils sehr persönlich, teils die Arbeit als Autor betreffend und teils natürlich mit Bezug zur aktuellen Situation im Nahen Osten und zur geopolitischen Lage darüber hinaus. Yilmaz blieb keine Antwort schuldig. Am Ende waren die zwei Stunden wie im Flug vergangen – und letzte Fragen mussten im persönlichen Gespräch mit dem Autor, der auch ein paar Bücher signierte, besprochen werden.

Burak Yilmaz hat sich im Nachgang beeindruckt gezeigt vom vielfältigen Interesse und den klugen Fragen unserer Schüler*innen. Und das Mulvany Berufskolleg ist sehr dankbar für diese Möglichkeit, mit einem Experten so empathisch die aktuelle Situation in den Blick zu nehmen.

Text: Christopher Wulff

Fotos: Gina Waluga, Mulvany Berufskolleg

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